Nicht geschenkt, sondern verdient

Mit dem Rentenpaket hat sich die große Koalition gleich zu Beginn der Legislaturperiode ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Wir wollten Gerechtigkeitslücken, die sich bei der Rente aufgetan haben, schließen und die Lebens- und Arbeitsleistungen von Millionen von Män-
nern und Frauen bei der Rente stärker anerkennen.
Die Koalitionsfraktionen haben sich in dieser Woche im parlamentarischen Verfahren abschließend auf das Rentenpaket verständigt. Damit ist das Ziel erreicht und der Weg frei für das erste große Gesetzesvorhaben der neuen Bundesregierung. Das Rentenpaket kann nun am 23. Mai, dem 65. Jahrestag des Grundgesetzes, vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Es kann so wie vereinbart am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten.Damit setzen wir ein klares Zeichen der Solidarität und Gerechtigkeit in Deutschland. Wir sagen den Menschen: Arbeit ist etwas wert. Anstrengung wird anerkannt. Die Menschen haben im Alter Anteil an dem Wohlstand, den sie mit erarbeitet haben. Das ist ein Kerngedanke der sozialen Marktwirtschaft.

Abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren

Wer besonders lange gearbeitet hat, kann künftig schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. In den kommenden Jahren wird die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Wir haben dabei Menschen im Blick, die viereinhalb Jahrzehnte und mehr hart gearbeitet und Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie haben mit-
geholfen, dass Deutschland wirtschaftlich heute so gut dasteht und ihren Teil des Generationenvertrages mehr als erfüllt.
Für die abschlagsfreie Rente ab 63 ist das Erreichen von 45 Beitragsjahren in der Rentenversicherung maßgeblich. Neben Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung, selbständiger Tätigkeit oder Pflege werden dabei auch Zeiten der Erziehung von Kindern bis zum
10. Lebensjahr und des Bezugs von Lohnersatzleistungen wie Schlechtwettergeld, Kurzarbeitergeld, Leistungen bei Weiterbildung oder Insolvenzgeld angerechnet.
Wir haben uns ebenfalls darauf verständigt, dass unverschuldete kurze Brüche in der Erwerbsbiografie
berücksichtigt werden. Deshalb nehmen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
die für kurze Zeit arbeitslos waren, aber den Anschluss wieder gefunden haben, nicht von der abschlagsfreien Rente ab dem 63. Lebensjahr aus. Zeiten, in denen Arbeitslosengeld bezogen wurde, werden ohne spezielle zeitliche Begrenzung angerechnet. Nicht berücksichtigt werden hingegen Dauer- und Langzeitarbeitslosigkeit.
Wir haben dabei den wirksamsten Weg gefunden, um neuen Frühverrentungen einen Riegel vorzuschieben, indem Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Jahren vor dem Erreichen des Rentenalters nicht angerechnet werden. Allerdings haben wir einen Schutz für diejenigen eingezogen, die etwa durch eine Insolvenz oder Betriebsstilllegung
nach dem 61. Lebensjahr arbeitslos werden. In solchen Fällen werden Zeiten der Arbeitslosigkeit
angerechnet, um Härtefälle zu vermeiden. Wer dessen ungeachtet bereits 45 Beitragsjahre vorzuweisen hat, verliert in jedem Fall seinen Anspruch auf die abschlagsfreie Rente ab 63 nicht. Arbeitslosigkeit innerhalb der letzten zwei Jahre vor Renteneintritt
schließt die abschlagsfreie Rente nicht aus, sie wird aber bei der Berechnung der 45 Beitragsjahre
nicht mit berücksichtigt.
Auch Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit den Schritt in die Selbständigkeit gewagt haben, bleiben nicht außen vor. Für sie gilt, dass bei 18 Jahren Pflichtbeitragszahlung auch weiter gezahlte freiwillige Beiträge gleichermaßen wie Pflichtbeiträge auf die 45 Beitragsjahre
angerechnet werden. Freiwillige Beiträge, die neben dem Bezug von Arbeitslosengeld
entrichtet werden, bleiben allerdings unberücksichtigt, damit so keine Brücke in
die Frühverrentung geschaffen werden kann werden.
Viele Menschen wollen und können länger arbeiten. Wir brauchen deshalb insgesamt
mehr Flexibilität beim Übergang aus der Arbeit in die Rente. Wer freiwillig weiter im Beruf
bleiben will, soll das künftig ohne Hürden tun können. Zwar führt das Erreichen der Regelaltersgrenze auch bisher schon nicht per Gesetz dazu, dass ein Arbeitsverhältnis endet,
es ist jedoch durch Tarif- oder Arbeitsverträge oft faktisch der Fall. Wir machen es daher künftig möglich, dass das Ausscheiden in diesen Fällen einvernehmlich – gegebenenfalls auch mehrmals – über das Erreichen der Regelaltersgrenze
hinausgeschoben werden kann, wenn die betreffende Vereinbarung während des laufenden Arbeitsverhältnisses erzielt wird.
Jedes Arbeitsleben ist anders, Belastungen und Herausforderungen sind unterschiedlich, so verschieden ist auch das persönliche Erleben des Rentenübergangs. Darauf wollen wir mit einer Arbeitsgruppe eingehen und weitere Vorschläge erarbeiten, wie wir den Übergang in die Rente flexibler und individueller regeln können. Wer nicht mehr mit voller Kraft arbeiten kann, soll etwa mit Teilrente eine Brücke in den Ruhestand bauen können.

Ausgeweitete Anerkennung von Kindererziehungszeiten

Mit dem Rentenpaket sorgen wir auch für eine stärkere Anrechnung von Zeiten der Erziehung
von Kindern, die vor 1992 geboren sind. Mütter – in einigen Fällen auch Väter – erhalten ab dem 1. Juli für jedes Kind einen zusätzlichen Rentenpunkt. Viele Frauen der älteren Generation haben, auch weil passende Betreuungsangebote noch rar waren, ihren Beruf aufgegeben und sich um die Kinder gekümmert, während der Mann sich beruf-
lich weiterentwickeln konnte. Sie waren zwar nicht berufstätig, haben aber Familienarbeit geleistet -und damit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Auch ihnen geben wir nun ein Zeichen der Wertschätzung. Davon profitieren rund 10 Millionen Frauen, auch, wenn sie heute schon eine Rente be-
ziehen. Ein Antrag ist nicht notwendig, allerdings kann es aufgrund der hohen Zahl der Betroffenen zu leichten Verzögerungen bei der Auszahlung kommen.

Reha-Budget

Mit dem Rentenpaket unterstreichen wir auch den Grundsatz „Reha vor Rente“. Der Reha-Bedarf ist gestiegen und wird weiter steigen. Dem tragen wir mit der Aufstockung der Mittel für Rehabilitationsmaßnahmen Rechnung. Bei der Festsetzung der jährlichen Ausgaben werden wir die weitere demografische Entwicklung berücksichtigten. Wir wollen, dass die Menschen möglichst lange und gesund in ihrem Beruf arbeiten können.

Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente

Wir haben aber auch diejenigen im Blick, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können und eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Durch die Ausweitung der Zurechnungszeit werden sie ab 1. Juli so gestellt sein, als ob sie zwei Jahre länger gearbeitet hätten. Für diese Zeit wird ihr persönlicher Durchschnittsverdienst angerechnet.
Da aber bei vielen von ihnen gerade in den letzten Jahren oft lange Zeiten der Krankheit oder der Wechsel in Teilzeit ihr Durchschnittsgehalt absenken, werden die letzten vier Jahre vor der Rente den Wert der erweiterten Zurechnungszeit nicht mindern. Damit helfen wir den Betroffenen spürbar und erkennen auch ihre Lebens-und Arbeitsleistung an.

Finanzierung

Bei all dem sorgen wir dafür, dass der Beitragssatz weiter stabil bleiben kann. Deshalb haben wir einen zusätzlichen Zuschuss zur Rente aus dem Bundeshaushalt ab dem Jahr 2019 vereinbart.
Ich freue mich, dass wir unser ambitioniertes Ziel in so kurzer Zeit erreicht haben und das Rentenpaket pünktlich zum 1. Juli in Kraft treten kann.
Wir schaffen damit mehr Gerechtigkeit für die, die lange und hart gearbeitet und unseren Wohlstand mit geschaffen haben. Wir erkennen die Leistung von Menschen an, die mitgeholfen haben, dass die Solidarität zwischen Alt und Jung weiterhin trägt. Wir sorgen für mehr Sicherheit im Alter. Darum geht es beim Rentenpaket. Es ist nicht geschenkt, sondern verdient.